Biofabrique Vienna – Design aus Wiener Abfällen
September 24, 2024|KB
Was passiert, wenn aus unvermeidbaren Lebensmittelabfällen Farben werden? Kann eine Zwiebelschale tatsächlich Stoffe färben oder ein Avocadokern ein neues Farbspektrum eröffnen? Und wie kann man Farben so gestalten, dass sie lokal, wirtschaftlich und umweltfreundlich sind? In einer Stadt, die zunehmend auf Kreislaufwirtschaft setzt, zeigt die Biofabrique Vienna, wie ungenutzte Ressourcen in neue Materialien verwandelt werden können.
Ob Aushub vom U-Bahn-Bau, übrig gebliebene Backwaren, Zwiebelschalen oder Avocadokerne – Reste, die sonst im Müll landen, werden in der Biofabrique Vienna zum Ausgangspunkt von Design. Was 2024 als Experiment für nachhaltige Baustoffe begann, ist heute Leitprojekt der Stadt Wien – und startet nun mit dem Schwerpunkt auf WIENER FARBEN in die zweite Edition.
Pigmente aus der Stadt
Statt synthetischer Chemie, hohem Wasserverbrauch und Mikroplastik wie bei herkömmlichen Färbemethoden setzt das Projekt WIENER FARBEN der Biofabrique Vienna auf das, was Wien ohnehin zur Verfügung stellt: unvermeidbare Lebensmittelabfälle wie Zwiebelschalen, Karottengrün, Rotkraut oder Avocadokerne. Auch weniger bekannte Pflanzen wie der Japanische Staudenknöterich, der sich stark ausbreitet und heimische Arten verdrängt, wird als mögliche Farbquelle untersucht. Was normalerweise im Biomüll landet, wird hier zur Ressource für Farben und Pigmente.
Ziel ist es, die Experimente so weiterzuentwickeln, dass sie auch im größeren Maßstab funktionieren und eine nachhaltige und regionale Alternative zu herkömmlichen Färbemethoden in der Textilindustrie bieten.
In Zusammenarbeit mit der Färberei Fritsch entstanden bereits erste Färbeproben. Präsentiert werden die Ergebnisse in einer Ausstellung von Kuratorin Ute Ploier und Textildesignerin Antonia Maedel im Rahmen der VIENNA DESIGN WEEK 2025. Mit dem ersten Auftritt der WIENER FARBEN beginnt auch eine einjährige Zusammenarbeit der Universität für Angewandte Kunst Wien, der Kunstuniversität Linz und der TU Wien. Gemeinsam wird im Rahmen der Biofabrique Vienna weiter daran geforscht, wie sich natürliche Farben aus regionalen Rohstoffen gewinnen lassen.
Das war die erste Biofabrique Vienna
Die erste Edition der Biofabrique Vienna startete im Rahmen der Klima Biennale im Frühjahr 2024 und legte den Grundstein für das heutige Projekt WIENER FARBEN. Gemeinsam mit dem Institut für Architektur und Entwerfen der TU Wien und dem Atelier LUMA wurde an neuen Baustoffen, wie Ziegeln, Glasuren, Paneelen oder Putzen geforscht und experimentiert. Die Rohstoffe sowie inhaltliche Unterstützung kamen von Partner*innen wie etwa der Bäckerei Ströck, den Wiener Linien, Ottakringer oder Wienerberger.
Bereits nach einem Monat wurde der erste Biofabrique Vienna Ziegel präsentiert – hergestellt aus dem Erdaushub vom U2/U5-Ausbau und Biertreber, einem Nebenprodukt der Bierherstellung. Am Ende standen insgesamt 20 Materialkombinationen zur Verfügung – allesamt entwickelt aus ungenutzten Ressourcen aus Wien.
Das erste Designprojekt ließ nicht lange auf sich warten: Das Wiener Studio dreiSt. entwickelte aus den neuen Materialien die „Biofabrique Kantine“ – ein modulares Raumsystem, das im Rahmen der Vienna Design Week 2024 als modernes Kaffeehaus und Festivalzentrale diente. Die flexiblen Sitzmöbel und Tische wurden anschließend im temporären Biofabrique Showroom in den von ARE errichteten DOCKS weiterverwendet und luden dort zum Verweilen ein.
Next Generation: Die Wiener Fliese
Die Auseinandersetzung mit lokalem Aushubmaterial wird auch zukünftig weiter vertieft: Aus der ersten Phase der Biofabrique Vienna entstand das Folgeprojekt „Wiener Fliese – Wandbeläge aus Wiener Tegel“. Gemeinsam mit den Wiener Linien und den Wiener Stadtwerken wird erforscht, wie sich Lehmaushub aus dem U-Bahn-Bau als Wandbelag im öffentlichen Raum nutzen lässt – nachhaltig, lokal und zirkulär. Umgesetzt wird das Projekt von der bioregional.agency mit Anna Riess und Marie Janssen, begleitet von Kurator Jan Boelen.