Der Stickladen: Stich für Stich ins Herz des Grätzels
September 22, 2025|MS
Wenn sich die Türe zum Stickladen im Herzen von Ottakring öffnet, wird man von zwei jungen Männern in lässiger Streetwear begrüßt, zur Erfrischung gibt es lokale Biolimonade und Wiener Schmäh. Was auf den ersten Blick wie ein hippes Modegeschäft wirkt, ist ein Ort, an dem traditionelles Handwerk neu gedacht wird. Denn die beiden Besitzer Pascal Nimführ und Benjamin Hilscher haben sich auf die Veredelung von Textilien spezialisiert – mittels hochwertiger Stickerei und modernen Druckverfahren. Im Rahmen der Grätzelinitiative Ottakring konnte sich das Unternehmen einen neuen Standort in geförderter Untermiete sichern.
Gestickt wird hier nicht von Hand oder auf Omas Stickrahmen. Mit Klischees wollen die Stickladen-Gründer bewusst brechen – und zeigen, dass Stick vielseitig, cool und alltagstauglich sein kann, ohne Qualität einzubüßen. Seit der Gründung im Jahr 2021 ist der Stickladen kontinuierlich gewachsen und zählt heute über 600 Kund*innen, darunter Großaufträge von Unternehmen ebenso wie individuelle Kleinprojekte.


Im Fokus steht der Mix aus persönlicher, kreativer Beratung und effizienter Produktion: Nach der individuellen Abstimmung von Motivgröße, Material und Farben wird ein digitales Design erstellt und über Stickmaschinen auf die Textilien übertragen. Je nach Auftrag dauert die Anfertigung nur wenige Minuten bis zu einem Tag. So werden Ressourcen eingespart, von der Lagerlogistik bis hin zur Materialwahl setzt das Team auf nachhaltige Prozesse.
„Zwei junge Burschen, die sich mit Sticken auskennen, ist für manche eine überraschende Konstellation. Wir wollen mit diesen Klischees brechen – für uns steht vor allem die Qualität und Vielseitigkeit der Stickerei im Vordergrund.“
Pascal Nimführ und Benjamin Hilscher
Gründer von Der Stickladen
Ein Standort für alles – neues Zuhause in Ottakring
Mit dem Wachstum des Unternehmens stieg auch der Bedarf nach mehr Raum und Sichtbarkeit. Beim Spaziergang durch die Nachbarschaft entdeckte Pascal Nimführ zufällig ein Plakat der Grätzelinitiative Ottakring – eine leerstehende Wäscherei in der Hasnerstraße wurde als saniertes Geschäftslokal zur geförderten Untermiete ausgeschrieben. Der Stickladen bewarb sich mit seinem Konzept, erhielt den Zuschlag und eröffnete im Frühling 2025 den neuen Standort auf 170 m². Seither haben sich Pascal und Benjamin mit Unternehmer*innen und Anrainer*innen vernetzt, um das Grätzel mit neuen Ideen zu beleben.
Wir haben mit Pascal Nimführ und Benjamin Hilscher über erste Stickversuche im Keller, kreative Aufträge und das Abenteuer Unternehmertum gesprochen.
Gratulation zum eigenen Geschäftslokal in Ottakring! Gehen wir zurück an den Anfang: Wie kam es zur Gründung des Stickladens?
PN: Ich studierte Sportwissenschaften und entwickelte für ein Uni-Projekt eine fiktive Sportmarke. Bei der Kalkulation fiel mir auf, dass es lokal kaum leistbare Angebote für kleine Stickerei- und Druckaufträge gab. Da dachte ich mir – warum nicht einfach selbst machen?
BH: Pascal und ich kannten uns schon länger aus der Gastroarbeit und ich war gleich begeistert von seiner Geschäftsidee.
Wir investierten in eine große Stickmaschine und arbeiteten anfangs auf acht Quadratmetern im Keller von Pascals Eltern im 17. Bezirk. Unsere Jobs als Kellner hatten wir weiterhin und teilten uns die Dienste so ein, dass wir unser Unternehmen Schritt für Schritt aufbauen konnten.
PN: Vor etwa zwei Jahren beschlossen wir dann, uns vollständig auf den Stickladen zu fokussieren. Das war die beste Entscheidung, die wir treffen konnten.
„Mit dem Geschäftslokal in Ottakring konnten wir uns einen Traum erfüllen – jetzt haben wir Platz, fühlen uns wohl und können auch endlich herzeigen, was wir machen.“
Pascal Nimführ und Benjamin Hilscher
Gründer von Der Stickladen
Von der Kellerwerkstatt zum eigenen Laden mit 170 m2. Wie seid ihr als Unternehmen gewachsen? Und was ist am neuen Standort nun möglich?
PN: Wir starteten mit Aufträgen von Freund*innen und kleinen Betrieben, durch Mundpropaganda wuchs der Kund*innenkreis stetig an. Heute bestellen Firmen- und Privatpersonen regelmäßig bei uns. Für den Samariterbund Wien besticken wir zum Beispiel Uniformen.
BH: Mit den steigenden Aufträgen wurde der Keller natürlich bald zu klein und wir zogen um in ein Atelier im 17. Bezirk. Unser Traum war aber immer, Produktion, Lager und Büro an einem Ort zu haben und zusätzlich einen Showroom, um unsere Produkte zu präsentieren und die Kund*innen in Ruhe beraten zu können. Das können wir mit unserem neuen Standort in der Hasnerstraße endlich erfüllen.
PN: Eine gute Atmosphäre und Sichtbarkeit im Grätzel sind uns wichtig, denn wir wollen niemanden einfach schnell und anonym abfertigen. Beim persönlichen Zusammensitzen entstehen die besten Ideen und man hat einfach mehr Spaß an der Sache. Mit vielen Kund*innen sind wir mittlerweile auch privat befreundet oder es entstehen gemeinsame Projekte.
Gibt es einen Auftrag, an den ihr euch besonders gern erinnert?
BH: Man kann ja fast alles besticken, da kommt manchmal auch die eine oder andere skurrile Anfrage. Aber ein kreatives Highlight war sicherlich eine Kundin, die als Initiativbewerbung einen bestickten Lebenslauf anfertigen ließ.
PN: Und die Bewerbung war anscheinend auch erfolgreich!
Stickerei wird häufig immer noch mit weiblicher Heimarbeit und traditioneller Mode assoziiert – wie geht ihr damit um?
BH: Bei einer telefonischen Beratung sagte einmal eine Dame zu mir: „Holen Sie doch mal bitte Ihre Mutter ans Telefon, die kann mir sicher weiterhelfen.“ „Meine Mutter hat mit dem Stickladen nichts zu tun“, antwortete ich darauf. Dass hier zwei junge Männer hinter der Stickmaschine stehen, ist für manche noch gewöhnungsbedürftig.
PN: Für uns stehen beim Sticken die Vielseitigkeit und Qualität im Vordergrund. Ob ein Käppi mit individuellem Motiv, Arbeitskleidung oder eine Werbefahne mit Logo – der Kreativität sind kaum Grenzen gesetzt und die Ergebnisse sind besonders langlebig. Ich würde außerdem behaupten, unsere Designs sehen alles andere als altmodisch aus :) Wir beraten unsere Kund*innen ausführlich, um das beste Ergebnis zu bekommen.
Was würdet ihr jungen Gründer*innen mitgeben, die ein eigenes Business starten wollen?
PN: Man darf sich am Anfang nicht überfordern oder entmutigen lassen. Fehler machen, Schritt für Schritt lernen und ins Unternehmertun hineinwachsen – das alles gehört dazu. Wir wussten zu Beginn nicht viel über das Sticken oder über das Gründen, haben stets Rat gesucht und uns selbst Know-How über Youtube-Videos geholt.
BH: Und: Man braucht kein perfektes Instagram oder eine glatte Außenwirkung. Vieles entsteht unterwegs. Wichtig ist, dass man authentisch bleibt.
Vielen Dank für das Gespräch!
Leistungen der Wirtschaftsagentur Wien
2025 Gefördert in der Förderung Grätzelinitiative Ottakring
Grätzelinitiative Wien2025 Gefördert in der Förderung Nahversorgung Energie
Nahversorgung2024 Geförderte Untermiete Geschäftslokal im Rahmen der Grätzelinitiative Ottakring
Grätzelinitiative Wien